Pressemitteilung
05.05.2017

Governance Report 2017: Mit innovativen Ansätzen die Demokratie stärken

Buchpräsentation am 8. Mai mit Katarina Barley, Jan-Werner Müller und Claus Offe

Berlin, 5. Mai 2017 – Gefahren für die Demokratie stehen derzeit im Zentrum der wissenschaftlichen und der öffentlichen Aufmerksamkeit, doch es gibt auch ein reiches Repertoire an Maßnahmen, die zur Stärkung demokratischer Systeme beitragen können. Der Governance Report 2017, erschienen bei Oxford University Press, analysiert die Instrumente, die Staat und Bürgern zur Verfügung stehen, um die Demokratie widerstandsfähiger zu machen.

Am 8. Mai diskutieren SPD-Generalsekretärin Katarina Barley, Jan-Werner Müller von der Universität Princeton sowie der Soziologe und Ko-Autor des Reports Claus Offe dessen Ergebnisse an der Hertie School of Governance in Berlin. 

Eine Demokratie funktioniert nicht von allein. Sie ist ein dynamisches System, das der Anpassung und Innovation bedarf, um sich verändernden Bedingungen gerecht zu werden, erläutert Claus Offe in seinem Beitrag. Innovationsbedarf entstehe vor allem dann, wenn die zwei Grundmerkmale der Demokratie — Volkssouveränität und Rechtsstaatlichkeit — aus der Balance gerieten.

Laut Offe existiert heute in vielen Demokratien ein Ungleichgewicht zwischen diesen Merkmalen, und die innovativen Ansätze, die der Governance Report aufzeigt, können dazu beitragen, sie wieder auszutarieren. Zu unterscheiden sind vier Kategorien von Innovationen: Von der Politik initiierte direktdemokratische Elemente, um entsprechenden Forderungen politischer oder zivilgesellschaftlicher Bewegungen nachzukommen, Formen der Bürgerbeteiligung mit dem Ziel, unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen mehr Gehör zu verschaffen, Wahlrechtsreformen, die den Zugang zu Wahlen erleichtern sollen, sowie institutionelle Veränderungen, die zu mehr Transparenz und dem Schutz demokratischer Prozesse beitragen.

Konkret handelt es sich dabei beispielsweise um Referenden, beratende Bürgerversammlungen, partizipative Haushaltsplanung und andere Maßnahmen, die Bürger in Entscheidungsprozesse einbinden. Zum Bereich der Wahlrechtsreform gehören unter anderem die Festlegung von Quoten für Minderheiten, automatische Wählerregistrierung oder die Senkung des Wahlalters. Die verstärkte Nutzung sozialer Medien zur Interessenvertretung oder institutionelle Kanäle, die Protest in den demokratischen Prozess einbinden, sind weitere Beispiele.

Solche Ansätze können die Zustimmung zu politischen Maßnahmen erhöhen, den Einfluss einzelner Interessengruppen zurückdrängen, benachteiligte Bevölkerungsgruppen an die Wahlurne holen oder die Bedingungen für Partizipation verbessern. Letztlich können sie zu mehr Legitimität und Vertrauen in Regierungshandeln führen und das Zugehörigkeitsgefühl stärken.

Allerdings warnen die Autoren des Governance Report 2017 davor, demokratische Innovationen generell als “best practices” zu betrachten. Abhängig von der jeweiligen Situation können Referenden kontraproduktiv wirken, Bürgerversammlungen können zu Handlungsunfähigkeit führen, Quoten die Freiheit der Wähler einschränken. Zudem sind Innovationen nicht ohne Weiteres in jeden Kontext übertragbar, sondern bedürfen einer Anpassung an die Gegebenheiten vor Ort.   

“Wir zeigen, dass der Weg aus der gegenwärtigen Demokratiekrise ein Prozess von Versuch, Irrtum und Anpassung ist. Aber allein die Bereitschaft, diesen Weg zu verfolgen, erhöht die Widerstandsfähigkeit. Demokratien scheitern, wenn sich keiner für sie einsetzt. Populisten erhalten so die Chance, vorhandene Schwächen auszunutzen. Solange aber aktiv an einer Verbesserung des demokratischen Systems gearbeitet wird, entfaltet dies bereits eine schützende Wirkung gegen viele Bedrohungen“, erläutert Helmut Anheier, Präsident der Hertie School und Ko-Autor des Reports.

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The Governance Report 2017, hrsg. v. Hertie School of Governance, Oxford University Press, 2017, wurde von einem Expertenteam unter Federführung der Hertie School of Governance verfasst. Es ist der fünfte Band einer Reihe, die neue Lösungsansätze für Governance-Probleme behandelt. Er enthält Beiträge von Helmut K. Anheier, Claus Offe, Daniel Smilov, Didi Kuo, Thamy Pogrebinschi, Matthias Haber, Ewa Atanassow, Ira Katznelson, Wolfgang Merkel, Donatella Della Porta, Andrea Felicetti, Nina Hall, Sonja Kaufmann und Regina A. List.

Bestellen Sie ein Rezensionsexemplar per Email an: pressoffice@hertie-school.org

Die Buchpräsentation “Democracy challenged: Responses and innovations” findet statt am 8. Mai 2017 von 12.30-14.00 Uhr an der Hertie School of Governance. Mit Helmut Anheier, Katarina Barley, Jan-Werner Müller, Claus Offe. Moderation: Henrik Enderlein. 

Anmeldungen und Interviewwünsche bitte an: pressoffice@hertie-school.org

Die Hertie School of Governance ist eine staatlich anerkannte, private Hochschule mit Sitz in Berlin. Ihr Ziel ist es, herausragend qualifizierte junge Menschen auf Führungsaufgaben im öffentlichen Bereich, in der Privatwirtschaft und der Zivilgesellschaft vorzubereiten. Mit interdisziplinärer Forschung will die Hertie School zudem die Diskussion über moderne Staatlichkeit voranbringen und den Austausch zwischen den Sektoren anregen. Die Hochschule wurde Ende 2003 von der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung gegründet und wird seither maßgeblich von ihr getragen. www.hertie-school.org