26.02.2015

Europas Superwahljahr 2015, Teil 1: Wahlen in austeritätsskeptischen Ländern

Der erste Teil unserer Blogreihe widmet sich den Wahlen in Frankreich, Portugal und Spanien, wo der  europäische Austeritätskurs besonders im Zentrum der Debatte steht. Ist ein deutlicher Machtzuwachs der „Austeritätsskeptiker“ zu erwarten und wie könnte sich dieser auf europäischer Ebene auswirken? Stehen wir vor einem Domino-Effekt?

Départements-Wahlen in Frankreich (März 2015)

Die nächsten Wahlen mit möglichen Implikationen für die Währungsunion sind die Départements-Wahlen in Frankreich am 22. Und 29. März 2015. Diese sind relevant, da sie als Omen für die Präsidentschaftswahl 2017 gedeutet werden. Laut einer Ifop-Umfrage würden sich 30% der Franzosen für den rechtsextremen Front National entscheiden. Somit läge dieser knapp vor dem Bündnis aus UMP und UDI (28%) und deutlich vor den regierenden Sozialisten (20%). Der Front National positioniert sich eindeutig gegen den europäischen Sparkurs. Als europhobische Partei befürwortet er neben Schengen- und EU-Austritt auch die „geordnete Auflösung der Eurozone“ und die Rückkehr zu nationalen Devisen. Laut aktuellen Umfragen befürwortet derzeit ein Viertel der Franzosen die Wiedereinführung des Francs.

Darüber hinaus deuten Umfragen bereits jetzt darauf hin, dass die Vorsitzende des Front National, Marine Le Pen, im ersten Durchgang der Präsidentschaftswahlen mit 29-31% der Stimmen vorne liegen könnte. In einer Stichwahl würde sie allerdings klar geschlagen werden, ganz gleich, wer ihr Gegner sein würde. Die Départements-Wahlen könnten also nochmal klar aufzeigen, was für die Sozialisten, Frankreich und Europa auf dem Spiel steht. Es erscheint momentan jedoch unwahrscheinlich, dass diese Drohkulisse den Europakurs der französischen Regierung kurzfristig maßgeblich verändern wird.

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Parlamentswahlen in Portugal (September/Oktober 2015)

Die Parlamentswahlen in Portugal zwischen dem 20. September und dem 11. Oktober stellen den europäischen Sparkurs erneut auf die Probe. Es sind die ersten Parlamentswahlen, seit das Land die Europartner im Frühjahr 2011 um Hilfskredite bitten musste. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass die bürgerlich-konservative Koalition unter Ministerpräsident Pedro Passos Coelho (PSD und CDS/PP) für den Sparkurs der vergangenen Jahre abgestraft wird. Umfragen zufolge könnten die Regierungsparteien im Vergleich zu den letzten Wahlen knapp 15% ihrer Stimmen einbüßen.

Die wiederholten Mahnungen von Passos Coelho an die neue griechische Regierung, sich an die Vereinbarungen des Hilfsprogramms zu halten, haben die portugiesische Gesellschaft gespalten. In einem offenen Brief vom 13. Februar 2015 forderten ihn 32 prominente Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft dazu auf, größere Solidarität mit Griechenland zu zeigen und sich vom harten Sparkurs abzukehren. Passos Coelho scheint jedoch auf Kurs zu bleiben mit dem Hinweis, kein anderes Land habe Griechenland bisher so sehr geholfen wie Portugal.

Der Gewinner der Wahl im Herbst könnte somit der Chef der Sozialisten, Antonio Costa, sein. In Umfragen führt seine Partei die Liste mit über 37% an. Costa wertete den Wahlausgang in Griechenland als klares Zeichen, dass die Sparpolitik in Europa am Ende sei. Von ihm wäre eine Kurskorrektur in Sachen Austerität zu erwarten. Seine Partei gilt als eher gemäßigt und Forderungen nach einem Schuldenerlass nach Syriza-Beispiel werden nicht erwartet. Costa stellte jedoch klar, dass er Griechenland nicht isolieren will und dass er sich dafür einsetzen wird, dass Europa sich stärker um die „soziale Katastrophe“ in Ländern wie Griechenland, Portugal und Spanien kümmert. Ein Ministerpräsident Costa könnte somit ein wichtiger Verbündeter in einer potenziellen Koalition von Krisenländern gegen einen Sparkurs „à la Schäuble“ sein.

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Parlamentswahlen in Spanien (Dezember 2015)

Der vorerst wichtigste Wahltermin für die Währungsunion könnte der Urnengang in Spanien am 20. Dezember sein. In Meinungsumfragen liefert sich derzeit die euroskeptische Partei Podemos ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit den regierenden Konservativen. Umfrageergebnisse weisen darauf hin, dass der Syriza-Wahlsieg in Griechenland der Bewegung neuen Schwung verliehen hat. Wie Syriza drängt auch Podemos auf eine Abkehr vom derzeitigen Sparkurs. Inhaltlich bestehen in dieser Hinsicht Schnittmengen mit den spanischen Sozialisten (PSOE). Eine Koalition scheint jedoch selbst im Falle eines Podemos -Wahlsieges unwahrscheinlich angesichts des erbitterten Kampfes, den die beiden Parteien um Wähler links der Mitte führen.

Die frappierenden Parallelen zu Griechenland – der rapide Machtverlust der etablierten Parteien, insbesondere der Sozialisten (PSOE) in einem Parteiensystem mit Mehrheitswahlrecht sowie der Aufstieg einer radikalen Alternative – machen Vergleiche fast unausweichlich. Der Ausgang der Debatte um einen griechischen Schuldenerlass hat daher eine besondere Signalwirkung. In diesem Zusammenhang ist es wenig erstaunlich, dass Premierminister Mariano Rajoy sich gegen jede Form des Schuldenschnitts ausspricht und betont, man könne nicht nach jeder Wahl die Spielregeln ändern. Seine konservative Partido Popular hofft, durch eine Fortsetzung des wirtschaftlichen Aufschwungs der letzten Monate ihr Narrativ von der schmerzhaften, aber letztendlich wachstumsfördernden Sparpolitik stärken zu können.

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Fazit

Obwohl die Austeritätsdebatte in allen drei Ländern eine wichtige Rolle spielt, erscheint eine uniforme „mediterrane Rebellion“ gegen die Sparpolitik derzeit unwahrscheinlich. Das Potential für einen kurzfristigen und radikalen Kurswechsel ist in Spanien am stärksten ausgeprägt. Ein Machtwechsel in Portugal sollte dementgegen eher einen langsamen Schwenk verursachen. Derweil scheint sich ein weiteres böses „Omen“ für die französische Präsidentschaftswahl 2017 anzubahnen. Dies sollte aber keinen unmittelbaren politischen Kurswechsel verursachen. Wie stark die Austeritätsgegner in den kommenden Monaten zulegen, wird nicht nur von der wirtschaftlichen Erholung abhängen, sondern auch vom Erfolg der Syriza-Politik in Griechenland und am Verhandlungstisch in Brüssel.

Bild: CC Thijs ter Haar, Quelle: flickr