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10.07.2015

Weißbuch: Jein zum europäischen Strommarkt

Das BMWi setzt in seinem Weißbuch zum zukünftigen Strommarkt-Design auf den liberalisierten, europäischen Strommarkt als Garanten für Versorgungssicherheit. Mit der Kapazitätsreserve soll die Industrie jedoch eine Subvention erhalten, die die Vollendung des Energiebinnenmarktes behindern wird.

Europäischer Strommarkt, nationale Reserve

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) hat das lang erwartete Weißbuch „Ein Strommarkt für die Energiewende“ veröffentlicht. Das ambitionierte Papier legt dar, wie sich der Strommarkt Deutschlands in den nächsten Jahren mit Hinblick auf Versorgungssicherheit, Kosteneffizienz, Innovationen und Nachhaltigkeit entwickeln soll.

  • In seiner Grundsatzentscheidung lehnt das BMWi einen Kapazitätsmarkt ab und bekennt sich zu einem liberalisierten, europäischen Strommarkt.
  • Durch die Umsetzung von 20 konkreten Maßnahmen sollen stärkere Marktmechanismen sowie flexible und effiziente Stromversorgung geschaffen werden.
  • Eine Kapazitätsreserve stellt zusätzliche Absicherung dar.

Die Strommärkte der Mitgliedsstaaten sind inkompatibel

„Versorgungssicherheit muss europäisch gedacht werden“ lautet eine der zentralen Aussagen des Weißbuchs. Es ist zu begrüßen, dass das BMWi sich zu den Vorteilen der Integration des europäischen Binnenmarkts bekennt und sich klar für das Vorantreiben dieses Prozesses positioniert. Es wurde erkannt, dass die im europäischen Markt gemeinsam benötigten Kapazitäten viel geringer als die national erforderlichen Höchstlasten sind. Die Grundsatzentscheidung gegen einen Kapazitätsmechanismus basiert zu einem großen Teil auf der Fähigkeit des europäischen Energiebinnenmarkts durch großräumige Ausgleichseffekte Versorgungssicherheit kostengünstiger zu gewährleisten. Allerdings, kann die Vollendung der Integration der europäischen Strommärkte nur dann erfolgen, wenn die Strommärkte der Mitgliedstaaten kompatibel miteinander sind. Angesichts der Entscheidung Frankreichs, ab 2016 einen Kapazitätsmarkt einzuführen, scheint dies momentan nicht gewährleistet zu sein. Das Weißbuch schweigt zur Vereinbarkeit des französischen Models mit dem zukünftigen Design des deutschen Strommarkts.

Ist die Kapazitätsreserve mit dem EU Wettbewerbsrecht vereinbar?

Die Grundsatzentscheidung des Weißbuchs gegen einen Kapazitätsmechanismus ist allerdings nicht ganz eindeutig, da eine Kapazitätsreserve zur „Absicherung“ des Strommarkts 2.0 eingeführt werden soll. Die Begründung für diese Entscheidung lautet: „Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass in nicht vorhersehbaren Situationen Angebot und Nachfrage nicht zum Ausgleich kommen.“ Diese Aussage passt nicht zu den restlichen Aussagen des Weißbuchs und könnte fast den Eindruck erwecken, das BMWi glaube selbst nicht an die Versorgungssicherheit durch den Strommarkt 2.0. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass die Kapazitätsreserve auf Druck der Industrie in das Weißbuch aufgenommen wurde. Die Kapazitätsreserve umfasst die nicht am Strommarkt teilnehmenden Kraftwerke, darunter insbesondere alte Braunkohlekraftwerke und hält sie durch Subventionen am Leben.

Die EU Kommission wird die Einführung der Kapazitätsreserve auf Vereinbarkeit mit dem Wettbewerbsrecht prüfen. Sollte sie eingeführt werden, wäre sie eine weitere nationalstaatliche Maßnahme, die die Vollendung des europäischen Binnenmarktes behindert. Denn die Einführung einer Kapazitätsreserve in Deutschland und eines Kapazitätsmarkts in Frankreich bedeutet die Koexistenz verschiedener Mechanismen zur Vorhaltung von Kapazitäten in zwei Nachbarstaaten. Dabei könnte die Zusammenarbeit dieser beider Länder, durch zum Beispiel Etablierung einer europäischen Reserve, höchst vorteilhaft für die Vollendung des Energiebinnenmarkts sein.

Ein Kommentar von Jekaterina Grigorjeva und Philipp Offenberg.

Philipp Offenberg ist Berater des Präsidiums der Europäischen Kommission im European Political Strategy Centre, davor arbeitete er für das Jacques Delors Centre.