Meinung
26.04.2018

Mobilität zwischen Sozial- und Arbeitsrechtssystemen in der EU stellt die Arbeitnehmer vor große Probleme

Anke Hassel über die Chancen einer Europäischen Arbeitsbehörde und warum der Kommissionentwurf zu kurz greift.

Vor ein paar Monaten hat EU Kommissionspräsident Juncker in seiner Rede zur Lage der Europäischen Union die Einrichtung einer Europäischen Arbeitsbehörde angekündigt. Sie soll die EU-Vorschriften rund um die Mobilität von Beschäftigten auf eine gerechte, einfache und wirksame Weise durchsetzen. Am 13. März 2018 hat nun die Europäische Kommission einen Vorschlag vorgelegt für eine Verordnung zur Einführung einer Europäischen Arbeitsbehörde, der European Labour Authority, kurz ELA.  

Ganz konkret soll die Behörde vier Aufgaben übernehmen: erstens die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Behörden; zweitens die Bündelung der existierenden Instrumente zur grenzübergreifenden Mobilität, um für alle beteiligten Akteure eine einheitliche Anlaufstelle zu schaffen; drittens die Bekämpfung des Missbrauchs der Arbeits- und Sozialgesetze sowie die Organisation gemeinsamer Kontrollen; und viertens die Verbesserung der existierenden Strukturen in diesem Bereich.

Die Mobilität von Beschäftigten in der EU zeigt: Juncker hat in einigen Punkten durchaus Recht. Seit 15 Jahren wurden auf EU-Ebene verschiedenste Regelungen geschaffen, um die grenzübergreifende Mobilität  von Firmen wie auch von Beschäftigten zu erleichtern. Dabei wechseln Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mehrfach zwischen unterschiedlichen Sozial- und Arbeitsrechtssystemen und erwerben Renten- und Arbeitslosenversicherungsansprüche in verschiedenen Ländern. Im Fall der Entsendung entsprechen ihre Arbeitsbedingungen zum Teil dem Recht des Herkunftslandes und zum Teil dem des Ziellandes. Diese Gemengelage stellt die Betroffenen vor große Probleme, ihre Ansprüche auch wahrzunehmen. Zudem ist der Wechsel in unterschiedliche Systeme anfällig für Betrug und Ausbeutung durch Unternehmen, die Regulierungs- und Kontrolllücken bewusst ausnutzen.

Die Kommission hat daher richtig erkannt, dass es auf europäischer Ebene einer Institution bedarf, die die Mitgliedstaaten darin unterstützt, zur Gewährleistung von Arbeitnehmerrechten in grenzübergreifenden Fällen besser zu kooperieren. Auch der Fokus auf die ermittelnden Instanzen ist richtig und wichtig, da sich deutlich zeigt: Solange die grenzübergreifende Kontrolle nicht funktioniert, werden Briefkastenfirmen im Ausland weiter florieren und wird die Entsendung als Modell zur Umgehung von ortsüblichen Arbeitsbedingungen und Löhnen genutzt. Sinnvoll ist auch, die existierenden Instrumente zur Information und Koordination zu bündeln, um über Zuständigkeiten Klarheit zu verschaffen und die Gefahr von Doppelstrukturen abzuwenden.

Allerdings enthält der aktuelle Verordnungsentwurf der EU-Kommission aus deutscher Sicht zu wenig aktive Handlungsmöglichkeiten, um die Rechte der mobilen Arbeitnehmerinnen zu stärken. Im deutschen Kontext würde die Verordnung wenig mehr bewegen als das deutsche Verbindungsbüro der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) um einige Stellen zu erweitern.

Gleichzeitig beinhaltet der Entwurf durchaus Chancen, die Arbeitsbedingungen von mobilen EU-Bürgerinnen und Bürgern, tatsächlich zu verbessern. So könnte sich die europäische Arbeitsbehörde auf die effektive Umsetzung von europäischem Recht spezialisieren. Damit wäre die Arbeitsbehörde dafür zuständig, die Umsetzung des neuen Entsendegesetzes in den Mitgliedsstaaten zu prüfen und als Ansprechpartner für Betrugsfälle, die Rechte der Arbeitnehmerinnen wahrzunehmen. Dafür müsste man die Behörde aber mit deutlich mehr Befugnissen ausstatten als es jetzt im Entwurf steht.

 

Anke Hassel ist Professorin für Public Policy und Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung.

Co-Autorin dieses Beitrages ist Bettina Wagner.