Meinung
22.06.2022

G7-Gipfel könnte Russlands wirtschaftliche Isolation verstärken, meint Monika Sus

In drei Fragen blickt die Gastprofessorin am Centre for International Security auf mögliche Ergebnisse des Treffens.

 

1. Das Motto des diesjährigen G7-Gipfels lautet „Fortschritt für eine gerechte Welt". Angesichts des Krieges in der Ukraine, des Klimawandels und der Corona-Pandemie scheint Fairness jedoch in weiter Ferne zu liegen. Was kann der Gipfel erreichen?

Das Motto scheint in der Tat idealistisch, aber der Gipfel kann ein Zeichen dafür setzen, dass die Staats- und Regierungschefs der reichsten Volkswirtschaften der Erde sich gemeinsam bemühen, die dringendsten Probleme der Welt zu lösen. Angesichts des Angriff Russlands der Ukraine ist die Einigkeit der westlichen Welt unerlässlich. Russlands Vorgehen hat die größte Flüchtlingskrise seit dem zweiten Weltkrieg ausgelöst. Der Krieg hat außerdem global zu steigenden Energie- und Lebensmittelpreisen geführt. Die Widerstandsfähigkeit der westlichen Demokratien, die durch die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie bereits geschwächt ist, wird auf die Probe gestellt. Gleichzeitig hat die Unterbrechung globaler Lieferketten schwerwiegende Folgen für vulnerable Länder, die diese Störungen ohne die Unterstützung der G7 nicht bewältigen können. Deshalb ist eine geeinte, starke G7 so wichtig.

 

2. Deutschland ist 2022 Gastgeberland des G7-Gipfels. Welche Bedeutung hat der Gipfel für die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik?

Die „Zeitenwende" in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik ist bislang nur langsam in Gang gekommen. Die träge Reaktion der deutschen Regierung auf den Krieg in der Ukraine sowie die anhaltenden Unklarheiten über Waffenexporte haben Deutschland schlecht dastehen lassen. Der Gipfel bietet Berlin die Gelegenheit, eine entschlossene Führungsrolle in Bezug auf den Krieg und sein Engagement für die Stärkung des Multilateralismus zu demonstrieren. Ein erfolgreicher G7-Gipfel könnte seinen angeschlagenen Ruf als zuverlässiger Verbündeter in den Augen der US-Partner, der Ukraine und der Länder an der Ostflanke der NATO wiederherstellen. Gelingt es den Staats- und Regierungschefs der G7 eine klare, gemeinsame Haltung zu formulieren, könnte dies zudem die öffentliche Meinung in Deutschland zusammenführen, die in vielen Fragen bezüglich der Beteiligung Berlins an militärischen Konflikten im Ausland noch immer gespalten ist. Mehr Rückhalt in der deutschen Bevölkerung könnte wiederum zu einer aktiveren Rolle Deutschlands hinsichtlich Europas Sicherheit führen.

 

3. Seit des Ausschlusses aus der G7 im Jahr 2014 treffen sich die westlichen Staats- und Regierungschefs ohne Russland. Kann das Treffen angesichts des Krieges in der Ukraine etwas bewirken?

Wie ich bereits erwähnt habe, ist die Einigkeit der westlichen Staats- und Regierungschefs bei der Unterstützung der Ukraine ein wesentlicher Punkt. Darüber hinaus sehe ich vor allem drei dringende Themen für den Gipfel, die mit dem Krieg zusammenhängen: 

Ein erstes mögliches Ergebnis ist die Verschärfung der wirtschaftlichen Isolation Russlands. Wir sehen langsam, wie sich die bisherigen Sanktionen auf den russischen Finanzsektor, den Handel, die Verteidigung, die Technologie und die Energieexporte auswirken. Sanktionen benötigen Zeit. Es gibt weiterhin viel zu tun. Im Mai verpflichteten sich die Staats- und Regierungschefs der G7-Staaten, russische Ölimporte schrittweise einzustellen oder zu verbieten. Diese müssen nun umgesetzt werden. Es wird Zeit und Mühe kosten, da die Staaten alternative Lieferungen sicherstellen müssen. Wenn es dem Westen ernst damit ist, die Finanzierung des Kriegs durch seine Zahlungen für russisches Öl und Gas zu beenden, gibt es allerdings keinen Weg zurück. 

Gleichzeitig sind die bilateralen Sanktionen seitens der Europäischen Union, den USA und Kanada nur begrenzt wirksam, zumal China sie weiterhin untergräbt und die russische Aggression in der Ukraine rechtfertigt. Daher sollten die Staats- und Regierungschefs der G7 den Gipfel nutzen, um im Anschluss an die Erklärung der G7-Außenminister vom Mai Druck auf China auszuüben. Eine solche Botschaft wäre von großer Bedeutung, wenn sie von den Staats- und Regierungschefs Argentiniens, Indiens, Indonesiens, Senegals und Südafrikas unterstützt würde, die als Gäste an dem Gipfel teilnehmen werden. 

Ein dritter Bereich, den die Staats- und Regierungschefs der G7 in Betracht ziehen sollten, ist eine Art „Marshallplan für die Ukraine" für die Zeit nach dem Krieg. Das Ausmaß der russischen Invasion ist beispiellos. Kritische Infrastrukturen in der Ukraine wurden zerstört und traditionelle Schifffahrtswege für Exporte abgeschnitten. Die wirtschaftliche Stabilität der Ukraine ist stark gefährdet. Gleichzeitig wird ein wirtschaftlich zerstörtes Land nach dem Krieg anfälliger für destabilisierenden politischen Druck. Ein schneller, koordinierter Wiederaufbau der Ukraine ist deshalb sehr wichtig. Diese Diskussion sollte jetzt beginnen und die G7 als informelle Organisation der reichsten Volkswirtschaften der Welt scheint mir dafür prädestiniert zu sein. 

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Mehr über unsere Expertin

  • Monika Sus, Senior Researcher, Centre for International Security