Veranstaltung
10.10.2024

Neue Herausforderungen für die Deutsch-Französische Zusammenarbeit - Diskussion über Künstliche Intelligenz in der europäischen Politik

Als Teil des Pariser Platz Dialogs befassten sich zwei Expertenpanels und drei Keynote-Sprecher während einer Diskussionsveranstaltung an der französischen Botschaft in Berlin mit dem drängenden Thema der Künstlichen Intelligenz in der EU aus deutsch-französischer Sicht.

„Die Zukunft der deutsch-französischen Beziehungen wird vor allem an der Fähigkeit gemessen werden, gemeinsam die technologische Revolution zu konzipieren und diese Revolution in Bezug auf Anstrengungen, Forschung, Ökosysteme und industrielle Partnerschaften anzuführen.“ Mit einer optimistischen und zugleich mahnenden Anpsprache eröffnete der französische Botschafter in Deutschland, François Delattre, die Diskussionsveranstaltung der Reihe „Research meets Politics“ am Nachmittag des 1. Oktober 2024 in der französischen Botschaft in Berlin. In drei Keynotes und zwei Podiumsdiskussionen setzten sich Expert:innen aus Deutschland und Frankreich mit der Frage auseinander: Was braucht Europa, um in der Künstlichen Intelligenz wettbewerbsfähig zu sein?

Staatssekretär Stefan Schnorr vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) gab eine erste und klare Antwort: „Um am KI-Rennen teilnehmen zu können, und zwar nicht in der zweiten oder dritten, sondern in der ersten Reihe, brauchen wir ein eigenes, souveränes europäisches KI-Ökosystem.“ Bezüglich ddeutsch-französischen Ansatzes zeigte er sich optimistisch: „Was mich sehr beeindruckt, ist die Lebendigkeit der Beziehungen zwischen den Unternehmen, Forschenden und Start-ups unserer beiden Länder, die Lebendigkeit der Partnerschaften in Bezug auf die Forschungsbemühungen.“

Professor Philippe Aghion vom Collège de France vertiefte den aktuellen Stand der Forschung zur Künstlichen Intelligenz und ihre Auswirkungen auf die europäische Wirtschaft und den Arbeitsmarkt: „Wir sollten die KI-Revolution nicht fürchten. Die Revolution hat ein hohes Wachstums- und Beschäftigungspotenzial, aber wir müssen die Institutionen und die Politik anpassen, um den Übergang zur KI-Wirtschaft erfolgreich zu gestalten.“ Für die Debatten im Anschluss an seine Rede gab Professor Aghion eine klare Vorgabe: „Uns fehlen die bahnbrechenden Innovationen in den Pionierbereichen. KI, Biotechnologie, Software. Wir müssen dort sein, wir müssen uns anpassen.“

Eine europäische KI-Infrastruktur mit deutsch-französischer Basis

Ein bestimmendes Thema der Debatte während der beiden Podiumsdiskussionen war die Frage der Regulierung. Mit einer klaren Botschaft eröffnete Joanna Bryson das erste Panel: „Regulierung ist essentiell für Innovation. Durch die Regulierung erhalten wir den Markt aufrecht, sodass wir das Geld an die richtigen Leute weiterleiten können.“ Neben der Professorin der Hertie School sprachen Maik Außendorf, Sprecher für Digitales und Mitglied des Deutschen Bundestages, Gesche Joost, Leiterin der Abteilung Designforschung des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI), Fréderic Pascal, Direktor des DATAIA Instituts am CentralSupélec, und Corinne Narassiguin, Senatorin im französischen Senat und Rapporteurin für KI.

„Die Tatsache, dass europäische KI vertrauenswürdig ist - ich denke, das ist ein Bereich, in dem wir im Vergleich zu den USA führend werden können“, betonte Senatorin Narassiguin im Gespräch mit Moderatorin Silke Wettach, einer freien Journalistin aus Brüssel, bevor sie präzisierte: „Wir müssen die Führung übernehmen, wenn es darum geht, KI für den guten Zweck zu produzieren, wenn es um ethische KI geht, wenn es um KI geht, bei der wir auch über Dinge wie die Auswirkungen auf die Gesellschaft und auf Kinder nachdenken. Wir haben keine Ahnung, was es bedeutet, ein Kind aufzuziehen, das von klein auf mit KI interagiert.“

Ein weiterer Diskussionspunkt des ersten Panels war die Attraktivität der EU für globale Talente im Bereich der Künstlichen Intelligenz - ein Mangel daran sei nicht das Problem, so Fréderic Pascal: „Ich denke, in Europa sind wir sehr gut in der Ausbildung von Talenten. Der nächste Schritt besteht darin, die Talente zu halten. Wenn jeder weiß, dass Europa der Kontinent für KI ist, werden die Leute natürlich auch bleiben.“ Für Maik Außendorf würde ein wichtiger Beitrag zu dieser Entwicklung bedeuten, „eine europäische KI-Infrastruktur zu schaffen, die eine deutsch-französische Basis haben könnte, aber nicht darauf beschränkt sein sollte.“

Ein Gleichgewicht finden und gleichzeitig relevant bleiben

Im zweiten Panel ging es um den europäischen Binnenmarkt und seine Bereitschaft für KI: „Der Hauptgrund, warum sich andere Volkswirtschaften bei diesen Spitzentechnologien wie KI besser entwickelt haben, ist einfach, dass es ein höheres Volumen an Risikokapital gibt“, unterstrich Matthias Koehler ein Kernproblem. „Frankreich ist eine große Volkswirtschaft, Deutschland ist eine große Volkswirtschaft - aber die USA sind als Markt viel größer“, so der Sektionsleiter im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) weiter.

Mit ihm auf dem Podium saßen Robert Kilian, Vorstandsmitglied des Deutschen KI-Verbandes, Marie-Avril Roux Steinkühler, Vizepräsidentin von French Tech Berlin, und Claire Thirriot-Kwant, Leiterin der Finanz- und Wirtschaftsabteilung der französischen Botschaft in Berlin. Für Marie-Avril Roux Steinkühler stellt die Dominanz des US-amerikanischen Marktes ein zentrales Problem bei der Entwicklung von KI-Tools und der Nutzung von Inhalten dar. Mit Verweis auf US-amerikanische Dienste wie ChatGPT kritisierte sie: „Man entscheidet sich, auszusteigen und zu sagen 'Nein, nehmt nicht meine Inhalte'. Aber am Ende des Tages verschwindet man aus dem Wissen“.

Eng verknüpft mit der Frage der KI im europäischen Binnenmarkt war die Frage nach dem Schutz von Rechten durch Regulierung: „Wir sprechen über Wahlverfahren, wir sprechen über Gesundheit, wir sprechen über die Vermeidung von Diskriminierung, Voreingenommenheit und so weiter - wir müssen also ein Gleichgewicht finden“, forderte Claire Thirriot-Kwant. Die Umsetzung von Regularien wie dem KI-Gesetz ist daher der Schlüssel für den Erfolg von KI im europäischen Binnenmarkt. Ein wichtiger Faktor dafür ist laut Robert Kilian die Beteiligung der Industrie: „Die KI-Standards liegen nicht in der Verantwortung der Politik, sie liegen auch nicht in der Verantwortung der Verwaltung. Es ist die Möglichkeit und Verpflichtung von uns allen - insbesondere der Industrie.“

Europa muss liefern

Zum Abschluss der beiden Diskussionsrunden und als Überleitung zum Empfang knüpfte Dr. Johannes Lindner, Co-Direktor des Jacques Delors Centre, an die Eröffnungsworte von Botschafter Delattre an: „Ich denke, wir müssen noch ein Update bringen, wo Europa abliefert“. Nach der mahnenden Einschätzung schloss Lindner optimistisch: „Auch wenn unsere beiden Länder sehr stark auf die Herausforderungen des Populismus und der Innenpolitik fokussiert sind - vielleicht gibt es in Bezug auf KI einen Konsens, dass eine KI-Gemeinschaft ein neuer Anstoß sein könnte, um die heiklen Themen anzugehen.“

Die Veranstaltung “Research meets Dialogue“ ist Teil der Reihe „Pariser Platz Dialogue“, die französische, deutsche und europäische Schlüsselakteure zusammenbringt, um über europäische Politik zu diskutieren, initiiert von Henrik Enderlein und unterstützt vom Auswärtigen Amt. Eine Aufzeichnung der Veranstaltung können Sie sich unten ansehen.

 

Fotos: Maurice Weiss