Politik
04.03.2025

Energieintensive Industrie: Wettbewerbsfähig bleiben und ineffiziente Subventionswettläufe vermeiden

Die EU-Kommission will mit dem Clean Industrial Deal und dem Affordable Energy Action Plan die Energiepreise kurz- wie langfristig senken – auch durch Subventionen. Das birgt Risiken, schreiben Lukas Bertram (ZOE Institut für zukunftsfähige Ökonomien), Andreas Eisl (Jacques Delors Institute), Philipp Jäger (Jacques Delors Centre) und Philipp C. Verpoort (Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, PIK).

Dieses OpEd wurde erstmals am 2. März 2025 im Europe.Table-Briefing von Table.Media veröffentlicht.

EU-weit fordern Politiker:innen und Interessengruppen eine rasche Senkung der Energiepreise, um angeschlagene energieintensive Industrien zu stützen. Auf EU-Ebene wurde am Mittwoch der „Affordable Energy Action Plan“ zusammen mit dem „Clean Industrial Deal“ vorgestellt. Die Kommission stellt darin dar, wie Energiepreise kurz- und langfristig gesenkt werden können, auch durch den Einsatz öffentlicher Mittel.

Dieser Ansatz hat zwar seine Berechtigung, birgt jedoch erhebliche Risiken, wenn er schlecht umgesetzt wird: Sollten einige Mitgliedstaaten Strompreise stark subventionieren, während andere dies nicht können oder wollen, wären teure Verzerrungen die wahrscheinlichste Folge. Diese würden sowohl die wirtschaftliche Effizienz als auch Bemühungen um den Klimaschutz beeinträchtigen. Da die EU-Kommission die Kompetenz im Bereich von Staatsbeihilfen hat, sollte sie daher einen politischen Rahmen vorschlagen, der Verzerrungen vermeidet und Investitionen energieintensiver Industrien in Regionen mit langfristig günstigen sauberen Energiepreisen lenkt.

Strom – der wichtigste Energieträger der Zukunft – wird in der EU in den kommenden Jahren günstiger, da mehr erneuerbare Energien, Speichertechnologien, flexible Nachfrage und eine bessere Netzverbindung zwischen den Ländern hinzukommen. Dennoch werden erhebliche regionale Preisunterschiede bestehen bleiben: Einige EU-Regionen mit günstigen Wind- und Sonnenverhältnissen werden deutlich billigeren Strom haben. Im globalen Vergleich werden diese Unterschiede noch größer sein. Die Kernenergie wird diese Dynamik kaum verändern, da sie vergleichsweise teuer bleibt.

Da der Transport von Strom und sauberem Wasserstoff über weite Strecken teuer ist und bleiben wird, werden diese Preisunterschiede langfristig bestehen bleiben. Eine unbefristete Subventionierung von Strompreisen für nicht wettbewerbsfähige Industrien ist daher keine sinnvolle Lösung.

Der „Sweet Spot“ für Länder mit voraussichtlich höheren Strompreisen könnte darin liegen, besonders energieintensive Zwischenprodukte zu importieren und nachgelagerte Teile der Wertschöpfungsketten zu erhalten. Letztere sorgen in der Regel für mehr Arbeitsplätze und Wertschöpfung. Anders gesagt: EU-Staaten mit hohen Strom- und Wasserstoffpreisen könnten die Stahlindustrie bewahren, aber sollten anfangen, grünes Roheisen zu importieren. Dies würde nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen verbessern, sondern auch den Einsatz von Strom in heimischen, nicht handelbaren Wirtschaftssektoren erleichtern, wie in der Gebäudewärme oder im Straßenverkehr.

Die EU-Beihilferegeln müssen also eine schwierige Balance schaffen: einerseits Effizienz sicherstellen und Subventionswettläufe vermeiden und andererseits Subventionen mit erheblichen positiven Effekte auf Klima und Resilienz erlauben. Um dies zu erreichen, sollte die EU nur dann Beihilfen für energieintensive Industrien mit schwindender Wettbewerbsfähigkeit zulassen, wenn mindestens eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist:

  • Temporäre Preisspitzen: Wenn die Strompreise aufgrund von Transformationskosten oder temporären Versorgungsengpässen vorübergehend stark ansteigen, könnte eine Unterstützung für energieintensive Industrien gerechtfertigt sein, sofern die Preise unter realistischen Annahmen innerhalb kurzer Zeit wieder sinken.
  • Indirekte Effekte: Werden bestimmte Teile energieintensiver Industrien (z. B. der Stahlindustrie) in andere Länder (innerhalb oder außerhalb der EU) verlagert, könnte dies erhebliche indirekte wirtschaftliche Verluste verursachen, etwa durch negative Effekte auf nachgelagerte Branchen (z. B. Automobilindustrie). In solchen Fällen sollten Mitgliedstaaten, die subventionieren wollen, die positiven Externalitäten nachweisen müssen.
  • Klimaschutz: In bestimmten schwer zu dekarbonisierenden Sektoren ist die EU besonders gut positioniert, um saubere Produktionstechnologien hochzuskalieren und deren Machbarkeit zu demonstrieren. Die Kommission sollte eine Liste von Produkten und sauberen Produktionstechnologien definieren, für die Strompreis-Subventionen generell zulässig sind. Um Effizienz zu steigern, sollten diese Subventionen auf EU-Ebene finanziert und verteilt werden. Wo dies nicht ausreicht, sollten Mitgliedstaaten nationale Mittel einsetzen dürfen (z. B. über das „auctions-as-a-service“-Modell).
  • Resilienz: Für eine sehr geringe Anzahl von Produkten könnte selbst ein diversifizierter Import zu hohen Resilienzrisiken führen, was dauerhafte Subventionen rechtfertigen könnte. Die Kommission sollte festlegen, für welche Produkte dies zutrifft. Falls deren Produktion selbst in den günstigsten EU-Regionen nicht wettbewerbsfähig ist, sollte die Produktion über Ausschreibungen subventioniert werden, um eine Mindestkapazität sicherzustellen, die im Falle von Versorgungsschocks hochgefahren werden kann.

EU-Regionen, die über günstigere saubere Energie verfügen, könnten andere Bedingungen nicht erfüllen, die für energieintensive Industrien benötigt werden. Doch anders als bei Sonne und Wind kann die Politik diese Bedingungen verbessern. Die EU-Kommission sollte „Energie-Potenzialregionen“ identifizieren und gemeinsam mit Mitgliedstaaten und anderen Akteuren eine Strategie für die Aus- und Weiterbildung von Arbeitskräften sowie den Infrastrukturausbau entwickeln. Parallel dazu könnten andere Instrumente negative Auswirkungen abfedern, die einzelne Regionen durch den Verlust bestimmter Industrien erleiden.

Berücksichtigt die EU den hier vorgeschlagenen Ansatz, so hat sie echte Chancen, das Potenzial des Binnenmarkts für eine wettbewerbsfähigere, resilientere und nachhaltigere Industrie der Zukunft zu nutzen.

 

Photos: CC Waldemar Brandt, Source: Unsplash