Politik
22.09.2015

Vorschlag zur Flüchtlingsquote: Verstärkte Zusammenarbeit statt Mehrheitsentscheidung

Wie eine selten genutzte EU-Vertragsbestimmung in der aktuellen Flüchtlingskrise genutzt werden könnte

Die 28 EU-Mitgliedstaaten konnten sich bislang nicht darauf einigen, den Plan der Kommission für eine verbindliche Quote zur Umsiedlung von 120.000 Flüchtlingen anzunehmen. Am 14. September 2015 billigten die Innenminister nur einen früheren Plan für die Umsiedlung von 40.000 Flüchtlingen auf freiwilliger Basis. Obwohl die Unterstützung für den neuen Plan zu steigen scheint, lehnen einige osteuropäische Mitgliedstaaten eine verbindliche Quote weiterhin ab.

Neben einem weiteren freiwilligen Verteilmechanismus wird als alternative Strategie einzig die Durchsetzung des Vorschlags mit qualifizierter Mehrheit diskutiert. Es ist zwar rechtlich möglich, im Rat mit qualifizierter Mehrheit abzustimmen und die Prüfung dieser Option erhöht den Druck auf die Quotengegner, könnten aber Flüchtlinge wirklich in einen Land umgesiedelt werden, dessen Regierung gegen die Quote gestimmt hat?

Für Fälle, in denen sich die Mitgliedstaaten nicht einigen können, eröffnen die Europäischen Verträge allerdings einen Ausweg: Wenn mindestens neun Mitgliedstaaten bereit sind, über den aktuellen Stand der Integration in der Europäischen Union hinaus zu einer bestimmten politischen Frage zu kooperieren, bietet Artikel 20 EUV die Rechtsgrundlage für „verstärkte Zusammenarbeit“. Diese Bestimmung wird bereits im Scheidungsrecht und beim Einheitspatent angewandt und auch die Finanztransaktionssteuer soll auf dieser Basis eingeführt werden.

Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und die Vertragsklauseln, die die Interessen nicht-beteiligter Mitgliedstaaten schützen sollen, stehen einer verstärkten Zusammenarbeit in der Flüchtlingskrise nicht im Weg. Ein ambitionierter Mechanismus mit weniger teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten wäre eine angemessenere Reaktion auf die Flüchtlingskrise als kein Mechanismus oder als ein schlecht gestalteter freiwilliger Mechanismus.

Dr. Valentin Kreilinger arbeitete zuvor für das Jacques Delors Centre.

Bild: CC TeaMeister, source: flickr.com