Politik
06.05.2015

Interparlamentarische Zusammenarbeit in der EU: Vorwärts im Schneckentempo

Interparlamentarische Zusammenarbeit kann dazu beitragen, nationale Regierungen im Rahmen des Rats der EU und die Europäische Kommission besser zu kontrollieren. Wenn sie schneller vorankäme und intensiver stattfände, könnten die Parlamente eine stärkere Rolle in der EU spielen und somit deren demokratische Legitimität stärken. Am 20. und 21. April 2015 kamen die Präsidenten aller Parlamente der EU zu ihrer jährlichen Konferenz zusammen. Auf der Tagesordnung standen unter anderem die Rolle europäischer Parlamente in den Verhandlungen über internationale Verträge und das Funktionieren zweier politikspezifischer interparlamentarischer Konferenzen. Diese Konferenzen waren 2012 und 2013 geschaffen worden: die „Interparlamentarische Konferenz für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und die Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP)“ und die Interparlamentarische Konferenz, die auf der Grundlage von Artikel 13 des Vertrags über die Stabilität, Koordinierung und Steuerung (SKS-Vertrag), des sogenannten Fiskalpakts, zusammentritt.

Zwei Jahre lang haben die Parlamente über die Kompetenzen und die interne Organisation der Interparlamentarischen Konferenz von Artikel 13 des SKS-Vertrags diskutiert. Laut den Schlussfolgerungen des Vorsitzes, soll ihr vorläufiger Name „Inter-parliamentary Conference on Economic and Financial Governance“ nun in „Inter-parliamentary Conference on Stability, Economic Coordination and Governance in the European Union“ geändert werden, um die Verbindung zum Fiskalpakt deutlicher zu machen. Die Parlamentspräsidenten vereinbarten aber lediglich Grundsätze, die auf der nächsten interparlamentarischen Konferenz in den Text der Geschäftsordnung integriert werden sollen.

Während viele der „Prinzipien“ nicht über die Vereinbarungen früherer Dokumenten hinausgehen, sind zwei Punkte bemerkenswert: Zum einen wird das Ziel der Konferenz klar definiert: Sie „soll einen Rahmen für Diskussion und den Austausch von Informationen und Best Practices bei der Umsetzung der Bestimmungen des Vertrags darstellen, um die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Parlamenten und dem Europäischen Parlament zu stärken und dazu beitragen, die demokratische Rechenschaftspflicht im Bereich von Economic Governance und Haushaltspolitik in der EU, vor allem in der Wirtschafts- und Währungsunion, unter Berücksichtigung der sozialen Dimension und unbeschadet der Zuständigkeiten der EU-Parlamente, sicherstellen.“ Zum anderen legten die Parlamentspräsidenten den ungefähren Zeitpunkt der Konferenz fest und erklärten, dass „die Konferenzen vor der Präsentation des Jahreswachstumsberichts und der Annahme der nationalen Reformprogramme stattfinden sollten.“ Um der Stimme der Parlamente im von der Exekutive dominierten Europäischen Semester besser Gehör zu verschaffen, ist dies von besonderer Bedeutung.

Im Hinblick auf die Konferenz zur GASP/GSVP unterstützten die Parlamentspräsidenten die Überprüfung der Funktionsweise dieser Konferenz. Der Vorschlag, „das Gewicht von langwierigen Plenarvorträgen […] hin zu mehr Zeit für Fragen und Antworten [zu verschieben]“ könnte in der Tat für mehr Interaktion bei solchen Konferenzen sorgen.

Als weiterer wichtiger Tagesordnungspunkt wurde die Frage von internationalen Verträgen auf der Konferenz der Parlamentspräsidenten diskutiert. Besonderer Schwerpunkt war das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP). Die Präsidenten laden die Europäische Kommission ein, den Mitgliedern nationaler Parlamente den gleichen Zugang zu Verhandlungstexten über TTIP zu gewähren wie den Abgeordneten des Europäischen Parlaments. Sie unterstützten die harte Haltung des Europäischen Parlaments, das TTIP-Empfehlungen in einer Abstimmung im Mai 2015 verabschieden wird und durch sein Vetorecht auf der Grundlage der neuen Befugnisse von Artikel 218 AEUV des Vertrags von Lissabon bereits SWIFT und ACTA, andere internationale Abkommen, abgelehnt hatte.

Neben diesen drei Tagesordnungspunkten der Konferenz der Parlamentspräsidenten sind noch Anstrengungen der Vorsitzenden der Europaausschüsse erwähnenswert, eine „Grüne Karte“ für die nationalen Parlamente einzuführen, die es ihnen ermöglichen würde, der Europäischen Kommission Vorschläge für Gesetzesinitiativen zu unterbreiten. Würde die Kommission einem solchen Vorschlag nicht folgen, müsste sie die Gründe angeben, wie es bei der „Gelben Karte“ der Fall ist, wenn die nationalen Parlamente einen Rechtsakt als Verletzung des Subsidiaritätsprinzips betrachten. Der Erste Vizepräsident der Europäischen Kommission, Frans Timmermans, wird auf diesen Ehrgeiz der nationalen Parlamente, eine aktivere Rolle spielen zu wollen, reagieren müssen. In seiner Antwort auf ein früheres Schreiben der Vorsitzenden des lettischen Parlaments, das einen „verstärkten politischen Dialog“ vorschlägt, hat er nicht ausdrücklich auf diese Idee Bezug genommen, sondern lediglich deutlich gemacht, dass die Kommission einen informelleren Austausch mit den nationalen Parlamenten bevorzuge. Folglich können nationale Parlamente nur langsam Fortschritte in Richtung einer stärkeren Zusammenarbeit untereinander und im Dialog mit der Europäischen Kommission machen.

Vor allem die Oppositionsparteien, die sich im Vergleich zu den Regierungsparteien einem Informationsdefizit gegenüber sehen, sollten die Möglichkeiten nutzen, mit ihren Kollegen aus anderen Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament zusammenzuarbeiten: Die Interparlamentarischen Konferenzen über Stabilität, wirtschaftliche Koordination und Governance und GASP/GSVP sowie die Konferenz der Europaausschüsse (COSAC) können eine wichtige Rolle für die Diskussion und den Austausch von Informationen und Best Practices zwischen Abgeordneten, die sich mit diesen Politikbereichen beschäftigen, spielen und könnten Parlamenten folglich helfen, ihre wichtige Kontrollfunktion besser auszufüllen.

Dr. Valentin Kreilinger arbeitete zuvor für das Jacques Delors Centre.

https://www.delorsinstitut.de/ueber-uns/team/valentin-kreilinger/Dieser Blog Post erschien zunächst auf Englisch auf der Seite der London School of Economics: Link zum Beitrag

Bild: CC Kyle Taylor, source: flickr.com