Die Debatte über die Kapitalmarktunion war selten so laut wie jetzt. Die Staats- und Regierungschefs der EU drängen auf rasche Fortschritte und politische Schwergewichte wie Enrico Letta und Mario Draghi rücken die Integration der Kapitalmärkte in den Mittelpunkt. Dennoch ist es nicht ausgemacht, dass dieser politische Impuls diesmal zu konkreten Maßnahmen führt. Schon jetzt reichen die auf dem Tisch liegenden Vorschläge nicht aus, um einen grundlegenden Wandel herbeizuführen. Da der deutsch-französische Motor seit den Wahlen geschwächt ist, besteht die ernste Gefahr, dass die EU-Regierungen entweder keine substanziellen Reformen beschließen oder sich lediglich auf Maßnahmen einigen, die de facto die bestehende Marktfragmentierung verstärken und die Finanzstabilität gefährden. Vor diesem Hintergrund sollte die neue EU-Kommission die Staats- und Regierungschefs beim Wort nehmen und sich für ehrgeizige Strukturreformen einsetzen, die einen echten Binnenmarkt für Kapital schaffen. Nur eine grundlegende Umgestaltung der europäischen Finanzierungslandschaft wird es der EU ermöglichen, die Wachstumschancen zu nutzen und ihre finanzielle und technologische Unabhängigkeit von den USA und China zu wahren.
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