Politik
22.10.2014

Budgetregeln der EU und deren Relevanz für Frankreich

Im Kontext der Vorlage des französischen Haushaltsplans für 2015 ist die Debatte um die angemessene Reaktion auf Verstöße gegen die Budgetregeln der EU neu entbrannt. Während manche Kommentatoren strengere Strafen fordern, werfen andere der EU vor, sukzessive die Haushaltshoheit des Nationalstaats zu unterhöhlen. Sofia Fernandes, Senior Research Fellow bei Notre Europe – Jacques Delors Institute, untersucht in ihrem Debattenbeitrag, in welchem Ausmaß europäische Institutionen Einfluss auf den Staatshaushalt von EU-Mitgliedsstaaten nehmen können und inwiefern dies für den Fall Frankreichs relevant ist. Sie hebt hervor, dass die geltenden Regeln streng sind, aber einige Flexibilität bieten und von der Europäischen Kommission bisher nachsichtig ausgelegt wurden: Seit Einführung des Stabilitätspakts wurde trotz zahlreicher Verstöße nie eine Geldstrafe verhängt.

Grundsätzlich stellt Fernandes fest, dass die Reformen der letzten Jahre zu merklich strengeren Normen und leichter zu verhängenden Strafen geführt haben. Beispielsweise müssen EU-Mitgliedsstaaten unter den Regeln des „Europäischen Semesters“ jährlich im Herbst ihre Haushaltspläne für das kommende Jahr vorlegen, welche dann von der Europäischen Kommission bewertet werden. Gleichzeitig sehen die Regeln aber auch zahlreiche mildernde Umstände vor. Die wirtschaftliche Lage der Eurozone fließt in die Entscheidung über Strafmaßnahmen ebenso ein wie Anstrengungen des Mitgliedsstaates, das Defizit zu reduzieren. Darüber hinaus kann die Kommission Haushaltspläne weder direkt verändern noch ablehnen, sondern lediglich weitere Schritte innerhalb des Defizitverfahrens einleiten oder dem Rat der Europäischen Union die Verhängung eines Bußgeldes vorschlagen.

Im Falle Frankreichs ist das „Europäische Semester“ von aktueller Relevanz, da das Land auch nach Ablauf einer verlängerten Frist gegen die Budgetregeln verstößt und der aktuelle Haushaltsplan nun der Kommission zur Prüfung vorliegt. Fernandes merkt an, dass die momentane Situation oft als Entscheidung zwischen zwei gleichermaßen ungünstigen Optionen dargestellt wird: Entweder verhängt die Kommission ein Bußgeld und schwächt Frankreich damit weiter, oder sie unternimmt keine weiteren Schritte und erregt den Unmut der Länder, die große Anstrengungen zur Einhaltung der Budgetregeln unternommen haben. Tatsächlich steht ihr eine weitere Option offen: Sie kann dem Europäischen Rat empfehlen, Frankreich zur Reduzierung des Defizits aufzufordern, aber noch kein Bußgeld verhängen. Erst vier Monate später müsste sie entscheiden, ob Frankreich geeignete Maßnahmen ergriffen hat. Das Beispiel Belgiens zeigt, dass solch ein Vorgehen zum Erfolg führen kann. Im Jahr 2013 wurde Belgien zur Defizitreduzierung aufgefordert, aber nicht mit einem Bußgeld belegt. Es konnte bereits ein Jahr später aus dem Defizitverfahren entlassen werden.

Sofia Fernandes ist Senior Research Fellow am Institut Jacques Delors in Paris, zuvor arbeitete sie am Portugiesischen Institut für Qualität des Wirtschaftsministeriums.

Bild: CC Pedro Ribeiro Simões, source: flickr.com