Forschung
25.02.2021

Ein Mitgliedsstaat wie jeder andere? Deutschland und die europäische Integration der Kernstaaten

Die EU hat die Kernkompetenzen der Staaten in einer weitgehend unhaltbaren Weise integriert. Warum ist das so?

In dieser Einleitung zu einer Sonderausgabe über Deutschland werfen die Autoren einen eingehenden Blick auf die nationale Präferenzbildung. Sie untersuchen den Einfluss staatlicher Eliten, wie er von funktionalistischen Theorien hervorgehoben wird, sowie von Massenöffentlichkeiten und politischen Parteien, wie sie vom Postfunktionalismus betont werden. Die Autoren stellen fest, dass sich Deutschland in allen Politikbereichen und mit auffallender Kontinuität im Laufe der Zeit wie ein normaler Mitgliedsstaat verhält. Das Land bevorzugt die Regulierung nationaler Kapazitäten gegenüber der Schaffung europäischer Kapazitäten und (zunehmend) die intergouvernementale statt der supranationalen Kontrolle dieser Kapazitäten. Nur in existenziellen Krisen unterstützt Deutschland den Aufbau europäischer Kapazitäten unter intergouvernementaler Kontrolle. Dies führt zu einer instabilen Integration, ist aber kein Indikator für eine hegemoniale Dominanz. Sowohl aus praktischer als auch aus theoretischer Sicht ist es von entscheidender Bedeutung, dass zwischen den staatlichen Eliten und den politischen Parteien bzw. der öffentlichen Meinung keine größere Kluft hinsichtlich der deutschen Präferenzen besteht.

 

Christian Freudlsperger, Markus Jachtenfuchs et al. (2021) A member state like any other? Germany and the European integration of core state powers. Journal of European Integration, Volume 43, Issue 2.

Foto: CC Robert Anderson, Quelle: Unsplash