Forschung
29.06.2023

Eine Typologie der umgekehrten Diskriminierung im EU-Staatsbürgerschaftsrecht

In diesem Artikel befasst sich Martijn van den Brink mit einer der am längsten andauernden Debatten in der Literatur über die Unionsbürgerschaft: dem Konzept der "umgekehrten Diskriminierung" und der Frage, ob sie gerechtfertigt ist. Umgekehrte Diskriminierung hat Jurist:innen in der EU in zwei Gruppen gespalten. Die eine Gruppe ist der Ansicht, dass sie eine ungerechtfertigte Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes darstellt, die andere, dass sie in einer Union, die nach dem Verfassungsgrundsatz der Gewaltenteilung regiert wird, unvermeidlich ist. Dieser Artikel stellt dies in Frage, indem er eine Typologie der umgekehrten Diskriminierung vorlegt. Während die meisten Wissenschaftler:innen davon ausgehen, dass umgekehrte Diskriminierung ein singuläres Phänomen ist, das eine singuläre Antwort erfordert, zeigt dieser Artikel, dass es sich um ein vielfältiges Phänomen handelt, das eine vielfältige Antwort erfordert. Es werden drei Arten von umgekehrter Diskriminierung unterschieden, und es wird erklärt, dass die richtige Reaktion von der Art der Diskriminierung abhängt, die wir betrachten. Typ I wird durch die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung verursacht, Typ II durch eine Wechselwirkung zwischen innerstaatlichem Föderalismus und innerstaatlicher Diskriminierung und Typ III durch die Konfusion des EuGH über das Ziel des Rechts auf Freizügigkeit und Aufenthalt. Anhand dieser Typologie zeigt der Artikel, dass umgekehrte Diskriminierung niemals eine Folge des Grundsatzes der Gewaltenteilung ist und auch nicht immer mit dem Gleichheitsgrundsatz unvereinbar ist. Schließlich zeigt der Artikel, dass in dem Maße, in dem die umgekehrte Diskriminierung gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt, die Lösung nicht darin besteht, die Rechte nach oben anzugleichen, sondern nach unten auf die niedrigere (nationale oder regionale) Regierungsebene. Dies zeigt, dass der Gleichheitsgrundsatz und der Grundsatz der Gewaltenteilung nicht miteinander kollidieren müssen.

Van den Brink, M. (2023). A typology of reverse discrimination in EU citizenship lawEuropean Law Open, 2(1), 57-78. doi:10.1017/elo.2022.54

Foto: CC Tingey Injury Law Firm, Quelle: Unsplash